Das Foto zeigt Luigi Pirandello, Schriftsteller aus Agrigent, Sizilien, Literaturnobelpreisträger und Autor eines Buches über Humor, 1867-1936.

Humor nach Sizilien zu bringen, das ist vielleicht ungefähr so, wie Eulen nach Athen zu tragen. Die Menschen, die mir dort begegnet sind, lachen gerne, sind zum Scherzen aufgelegt, es fällt ihnen immer was Witziges ein, mag die Situation sein wie sie ist. Die typischen schlagfertigen Reaktionen in Italien nennt man "battute", von battere, schlagen. Das Schlagzeug heißt "batteria". In der Waldenserkirche von Trapani steht ein solches und meine Frau Adele hat bei ihrem Auftritt dort auf der Suche nach Gott gleich gefragt, ob Gott etwa Schlagzeug spiele. Schließlich wohne er ja in der Kirche, es ist doch ein Haus Gottes, oder etwa nicht? Die Leute lachten und der 3-jährige Sohn des Diakons kann ganz intuitiv jetzt schon super darauf spielen.

Ich war auf Einladung des Frauennetzwerkes der ev.-Luth. Gemeinde in Italien und der Waldenserkirche in Sizilien. Habe gepredigt, Vorträge gehalten, gespielt und einen Workshop gemacht. Und war dabei immer aufmerksam, ob unsere Arten von Humor überhaupt zusammenkommen. Klar war, dass Humor eine Haltung ist und auch weit mehr, als schlagfertig zu sein oder gut Witze erzählen zu können. Humor wird zwar mit Leichtigkeit und Gelassenheit verbunden, fordert aber auch ganz schön heraus. Sich selbst (auch über sich) zum Lachen zu bringen, wenn wieder mal was schief geht und man ebenso heulen könnte oder aus der Haut fahren möchte. Allem Tragischen die komische Seite abzugewinnen. Dazu gehört auch, nicht zu streng mit sich zu sein, denn es ist nie alles ganz perfekt. Humor ist fehlerfreudig und gnädig, theologisch gesprochen.

Bislang war mir Jean Paul (1763-1825) der zentrale Autor über Humor als eine Tugend. Humor als das umgekehrt Erhabene, der das Große im Kleinen sieht und auch umgekehrt, das Kleine im Großen. Von daher gäbe es keine Berechtigung mehr, sich über das Endliche, das Fehlerhafte, das Ungeschickte etc. mehr lustig zu machen. Es ist nicht lächerlich. Ich möchte sagen, es ist normal. Es macht unser Menschsein aus, dass wir eben vollkommen unvollkommen sind und unvollkommen vollkommen, wieder theologisch gesprochen.

In meiner Vorbereitung dann zu meinen Aktivitäten in Sizilien begegnete mir Luigi Pirandello. Was für eine Entdeckung! Der Schriftsteller und Journalist studierte einige Zeit in Bonn, lebte dann in Rom und schrieb zahlreiche Novellen und Theaterstücke, darunter das berühmte „Sechs Personen suchen einen Autor“. „Pirandellesk“ ist sogar ein eigener Ausdruck geworden und steht für das Schillern zwischen verschiedenen Wirklichkeitsebenen, auch in der eigenen Person, die viele „Ichs“ kennt. Die eigene Perspektive kritisch wahrnehmen können, im Wissen um viele andere. Kontraste zu erkennen und dahinter sowohl das Komische als auch das Tragische zu sehen, das ist wohl ein Hauptmerkmal seiner Schriften – ich kenne noch viel zu wenige, um das beurteilen zu können. Aber ich bin fasziniert von dem, was ich bislang verstanden habe.

Humor entsteht auch nach Pirandello aus einer Erfahrung des Kontrastes oder der Widersprüchlichkeiten, der Dissonanzen. Es braucht einen künstlerischen und einfühlsamen Blick, um in diesen Kontrasten mehr als Vordergründige zu erkennen. Die sogenannte Realität und auch wir Menschen zeigen immer etwas – vordergründig – und sind doch vielfältig zusammengesetzt. Dahinter und daneben gibt es noch viel zu entdecken, oft auch verstecktes Leiden. Mit Humor lässt sich all das sehen, ohne das Bedürfnis, Kontraste aufzulösen, zu harmonisieren. All das kritisch wahrzunehmen und gelten zu lassen, das zeichnet einen humorvollen Menschen aus. Mit Humor ist man daher nicht einfach angepasst an bestimmte Konventionen. Auch bei Pirandello ist der Mensch zugleich sehr klein und verfügt doch über eine Größe.

Wie wichtig doch eine humorvolle Haltung in diesem Sinne für uns heute ist! Anstelle der Polarisierungen, der neuen Wahrheiten und der falschen Nachrichten einen Sinn für das Zusammengesetzte und Kontrastreiche zu pflegen, auch wenn es Mühe macht.